Die Großeltern mischen sich ins Essen ein
Früher oder später werden wahrscheinlich alle Eltern mit ungefragten Ratschlägen konfrontiert – auch in Sachen Ernährung. Nicht selten setzen sich Großeltern auch über die Essgewohnheiten und Regeln in der Familie hinweg. Zum Beispiel, wenn es um vegetarische Ernährung oder mit Süßigkeiten geht. Ernährungsexpertin und Familientherapeutin Edith Gätjen gibt Tipps, was Sie tun können, wenn sich die Großeltern immer wieder unerwünscht ins Essen einmischen oder Vereinbarungen übergehen.
Auf einen Blick
- Hinterfragen Sie, warum die Großeltern Ernährungsratschläge geben oder Vereinbarungen übergehen
- Sorgen Sie dafür, dass Sie sich als Familie über die Ernährung und Esserziehung einig sind
- Bearbeiten Sie Konflikte unter Erwachsenen, statt sie vor Ihrem Kind auszutragen
- Entscheiden Sie, je nachdem, wie stark die Großeltern in die Erziehung eingebunden sind: können Sie deren Tipps hinnehmen? Wenn nicht, verhandeln Sie mit den Großeltern gemeinsam.
- Vermeiden Sie Loyalitätskonflikte für Ihr Kind.
Edith Gätjen ist Ökotrophologin, systemische Paar- und Familientherapeutin, Präsidentin des UGB, Buchautorin, Trainerin der Sarah Wiener Stiftung, vierfache Mutter und Großmutter.
Warum mischen sich Großeltern eigentlich ins Essen ein?
Edith Gätjen: Dass sich die Großeltern ins Essen einmischen, kommt tatsächlich in vielen Familien vor. Eltern fühlen sich dann oft belehrt, nicht ernstgenommen oder dafür kritisiert, was und wie Sie als Familie essen. Bei den Großeltern steckt aber oft etwas ganz Ähnliches dahinter. Denn wenn ihre Kinder bei der Esserziehung der Enkel etwas ganz anders machen als sie selbst früher, fühlen sie sich oft in ihrem Handeln als Eltern angezweifelt. Anstatt zu sagen „Toll, dass ihr das so anders macht“, wollen sie ihr Handeln im Nachhinein rechtfertigen und gehen in die Konfrontation. Ganz nach dem Motto „aus meinem Kind ist doch auch was geworden“. Das zu verstehen, kann schon mehr Verständnis und damit mehr Gelassenheit schaffen.
Und wie geht man am besten damit um, wenn sich die Großeltern ständig ungefragt Tipps geben?
Edith Gätjen: Wenn Eltern das Gefühl haben, dass die Großeltern durch ihre Tipps ihr Handeln in der Vergangenheit rechtfertigen wollen, kann es helfen, ihnen diese Angst zu nehmen. Eltern können sagen „Keine Sorge, ihr habt die Esserziehung bei mir früher richtig gemacht. Aber es gibt neues Wissen und wir wollen gerne eigene Erfahrungen machen. Wir wollen die Möglichkeit haben, es anders zu machen. Nur anders, nicht besser und nicht schlechter.“
Eltern sollten außerdem prüfen, ob ihre Familie überhaupt ein gemeinsames Verständnis bei der Ernährung und Esserziehung hat. Sind sich alle einig darüber, ob die ganze Familie vegan isst? Dass der Schoko-Nussaufstrich auf dem Frühstückstisch steht? Dass die Kinder vom Esstisch aufstehen dürfen, wenn sie fertig sind? Oder gelten für einzelne Familienmitglieder Sonderregeln? Uneinigkeit kann unsicher machen und möglicherweise auch zu Konflikten in der Familie führen. Ungebetene Ratschläge der Großeltern verstärken diese Konflikte oft – und erzeugen dann gern auch Konflikte mit den Großeltern.
Eltern sollten also zuerst dafür sorgen, dass sich ihre Familie bei Ernährungsfragen einig ist und auch danach handelt. Gibt es Konflikte, müssen die auf der Erwachsenenebene besprochen werden. Tragen Sie die Konflikte nicht vor Ihrem Kind aus, damit es nicht in einen Loyalitätskonflikt zwischen den Eltern und möglicherweise auch den Großeltern kommt.
Sobald Großeltern mit den Kindern allein sind, setzen sie sich gerne über die Vereinbarungen rund ums Essen hinweg. Was können Eltern dann tun?
Edith Gätjen: Der Klassiker ist, dass es bei den Großeltern deutlich mehr Süßigkeiten gibt. Oder, dass Wurst und Käse angeboten werden, wenn sich die Familie für eine vegane Ernährung entschieden hat. Dahinter steckt häufig das Bedürfnis, dem Kind etwas Gutes zu tun, es zu verwöhnen und glücklich zu sehen. Ganz nach dem Motto „Kinder lieben die Menschen, die sie nähren“.
Ich würde unterscheiden, welchen Anteil die Großeltern an der Erziehung haben: Sind sie täglich eingebunden oder nur ab und zu?
Was raten Sie Familien, die viel Kontakt mit den Großeltern haben?
Edith Gätjen: Wenn die Großeltern großen Anteil an der Erziehung haben, übernehmen sie auch einen Teil des Erziehungsauftrags im Bereich Gesundheit. Das muss den Großeltern und den Eltern bewusst sein.
Eltern sollten sich dann in Ruhe mit den Großeltern zusammensetzen und verhandeln. Jeder hat seinen Stil! Ziel sollte sein, die beste Lösung für das Kind zu finden. Dafür müssen die Erwachsenen möglicherweise Kompromisse machen. Eine gute Lösung ist alltagstauglich und lässt Raum für Anpassungen.
Bei so einem Gespräch können Eltern und Großeltern auch über Generationen hinweg Neues entdecken, sich zum Beispiel Lebensmittel oder Speisenzusammensetzungen gemeinsam noch einmal genau anzuschauen. Sie können dann auch Glaubenssätze – wie den Teller leer essen, abends gibt es keine Marmelade, kein Getränk zur Mahlzeit – prüfen.
Eltern und Großeltern können auch überlegen, wie sie das Kind verwöhnen und Zuneigung zeigen können – auch ohne Schokolade. Schöne Möglichkeiten sind beispielsweise zusammen kochen und backen, spielen, gemeinsame Unternehmungen.
Und wenn die Großeltern kein Teil des Alltags sind?
Edith Gätjen: Wenn Ihr Kind bei den Großeltern ab und zu etwas bekommt, was es zu Hause nicht gibt, sollten Eltern überlegen, ob sie darüber hinwegsehen können. Diese Ausnahmen werden gesundheitlich keine Auswirkungen haben. Und mit besonderen Essmomenten werden auch besondere Erinnerungen geschaffen. Beispielsweise an die Zimtschnecken, die es immer nur bei der Oma gibt. Sie können sicher sein: Kinder können von klein auf gut unterscheiden, was es wo gibt, und kommen damit sehr gut klar.
Eine schöne Idee für die unzähligen Süßigkeiten zu Ostern oder Weihnachten ist ein Sammelglas. Darin können Kinder ab etwa vier Jahren die Süßigkeiten sammeln und sie, sobald das Glas voll ist, gegen etwas anderes eintauschen. Zum Beispiel ein Buch, ein Spiel, eine gemeinsame Unternehmung oder ähnliches. Die gesammelten Süßigkeiten können Sie beispielsweise in einem Schokokuchen verbacken und einfach so als Familie essen.
Vielleicht finden Sie auch Alternativen zu Schokohase und Weihnachtsmann, über die sich Ihr Kind statt der Süßigkeiten genauso freut. Das kann das Lieblingsessen, ein Stück Käse oder auch ein besonderes Obst sein.
Worauf sollten Eltern noch achten?
Edith Gätjen: Wenn die Großeltern Ihrem Enkelkind etwas erlauben, aber es auffordern, das vor den Eltern geheim zu halten. Zum Beispiel viel fernsehen und dabei Süßigkeiten essen. Das kann das für Kinder ab etwa vier Jahren schwierig werden. Sie kommen dann in einen Loyalitätskonflikt zwischen Eltern und Großeltern – und das belastet sie oft stark. Wenn sie sich zurückziehen oder wütend sind, können das Anzeichen sein. Falls Eltern so etwas beobachten, sollten sie es mit den Großeltern klären, um das Kind aus diesem Konflikt zu bringen.