Mein Kind isst kein Gemüse: Edith Gätjen im Interview

Ein Thema, das fast alle Eltern umtreibt. Gemüse soll nach gängigen Ernährungsempfehlungen auf Platz 1 stehen beim Speisenangebot und Ihre Kinder möchten es aber einfach nicht essen? Hier erfahren Sie, warum Ihre Kinder Gemüse skeptisch gegenüber stehen und welche Lösungen es gibt.


Momente beim Essenlernen können herausfordernd sein und auch Fragen aufwerfen – für die Kinder selbst, aber auch für die Erwachsenen. Deshalb haben wir mit Edith Gätjen, Ökotrophologin, systemische Paar- und Familientherapeutin, Präsidentin des UGB, Buchautorin, Trainerin der Sarah Wiener Stiftung und vierfache Mutter über die häufigsten Fragen von Eltern gesprochen, um Ihnen Erklärungen und Ideen für einen Umgang mit typischen Herausforderungen im Essalltag, an die Hand zu geben.

Auf einen Blick

  • Kinder mögen häufig gerne rohes Gemüse zum Knabbern. Bieten Sie davon regelmäßig und vielfältig an.
  • Schauen Sie was gut läuft und machen Sie mehr davon. Vielleicht isst Ihr Kind ja doch 2-3 Sorten Gemüse? Großartig, bieten Sie davon reichlich an.
  • Beziehen Sie Kinder beim Kochen mit ein, auch wenn es kleine Dinge sind. Kinder lernen so Lebensmittel kennen und mögen sie vielleicht auch probieren.
  • Sie sind das Vorbild für Ihre Kinder. Was Sie essen oder nicht essen schaut sich Ihr Kind ab. Greifen auch Sie mit Freude zu beim Gemüseteller.

Warum sortiert mein Kind immer das Gemüse aus?

Edith Gätjen: Also erstmal finde ich ganz wichtig, zu wissen: das Kind macht das, um sich selbst abzusichern. Das betrifft überwiegend warme Mahlzeiten, wie z.B. Nudelauflauf bei dem das Kind gezielt das Gemüse rauspickt. Denn Gemüse gibt den Kindern nicht die Information, davon satt zu werden, sondern eher, dass es bitter und giftig sein könnte. Das gehört zu den biologischen Programmen, die in uns drinstecken – übrigens auch in uns Erwachsenen. Kinder sind intuitive Esser:innen, bei ihnen laufen diese Programme ungefiltert ab. Erwachsene sind kognitive Esser:innen, das heißt, wir kennen vieles und nehmen mehr Erfahrungen mit ins Essen hinein. Kindern fehlen diese Erfahrungen noch, das heißt sie müssen das Essen noch lernen. Das sind zwei ziemlich große Herausforderungen. Gemüsesticks essen übrigens fast alle Kinder sehr gerne, denn hier steht der Spaß und nicht die Sättigung im Vordergrund.

Darum mögen viele Kinder kein Gemüse

  • Kinder essen intuitiv und versuchen sich selbst abzusichern, indem sie Gemüse ablehnen.
  • Gemüse sendet eher die Information, dass es nicht satt macht und aufgrund der Bittertsoffe potenziell gifitg sein könnte.

Kann ich denn beim Kochen etwas bedenken?

Edith Gätjen: Komponentenessen hilft da zum Beispiel. Es kann also Mais, Erbsen, Nudeln usw. getrennt angeboten werden, so kann das Kind sich das Essen selbst zusammenstellen. Eintöpfe, in denen das Gemüse sehr kleingeschnitten und damit nicht mehr zu erkennen ist, funktionieren auch häufig sehr gut als Familienmahlzeit.

Manchmal essen Kinder eine ganze Zeit lang auch gar kein gegartes Gemüse oder nur in Eintöpfen bzw. Suppen, das ist ganz normal. Entscheidend ist, dass weiterhin dieses Essen bzw. Gemüse angeboten wird. Das gibt Kindern die Möglichkeit das Essen kennenzulernen, Kontakt aufzunehmen, um dann irgendwann zu zugreifen. Vor allem wenn die Kinder sehen, dass die Eltern bzw. andere Familienmitglieder das Essen auch essen. Es ist wichtig den Druck rauszunehmen und dem Kind zu vertrauen, dass es sich aus dem Essensangebot das Richtige rausnimmt.

Mutter kocht gemeinsam mit Kindern in der Küche.

Anbieten ohne Druck

  • Kinder sortieren ihr Essen gerne. Getrennte Komponenten helfen ihnen.
  • Auch wenn das Gemüse nicht gegessen wird, bieten Sie es trotzdem weiterhin an.
  • Nehmen Sie den Druck raus und vertrauen Sie Ihrem Kind.
  • Isst Ihr Kind regelmäßig Gemüse als Frischkost, ist alles ok.

Wie kann ich meinem Kind Gemüse näherbringen?

Edith Gätjen: Eine gute Möglichkeit ist das Kind beim Zubereiten der Speisen einzubeziehen. Beim gemeinsamen Kochen lernt es Lebensmittel viel intensiver kennen. Was ich dazu sagen muss ist, dass das für manche Eltern auch Stress bedeuten kann. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass das Kind nicht jeden Tag oder von Anfang bis Ende einbezogen werden muss, es reichen oft ein paar Minuten. Es soll Spaß machen und Eltern nicht unter Druck setzen.

Eltern dürfen auch nicht vergessen, dass sie eine enorme Vorbildfunktion für ihre Kinder haben, da sie ihnen alles vorleben. Essen die Eltern zum Beispiel kein Gemüse, kann es gut sein, dass das Kind Gemüse auch eher kritisch gegenübersteht. Denn Kinder tun das, was wir tun. Sie tun nicht unbedingt das, was wir sagen.

Trotzdem ist es auch wichtig auf das zu schauen, was gut läuft und nicht immer nur auf die Dinge, die noch nicht so gut laufen. Das Kind isst zum Beispiel sehr gern Äpfel? Dann bekommt es einfach mehr davon.

Familie isst zusammen am Frühstückstisch. Eltern bieten Gemüse an und Kind probiert.

Gemeinsam Lebensmittel entdecken

  • Kinder lernen beim gemeinsamen Kochen Lebensmittel über alles Sinne kennen.
  • Auch kleine Kochaktionen sind schon viel Wert.
  • Eltern sind "Vorleber:innen".

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