
Mein Kind möchte immer nur Süßigkeiten - Edith Gätjen im Interview
„Mein Kind möchte immer nur Süßigkeiten!“ Am liebsten mag Ihr Kind schon zum Frühstück Marmeladenbrot, am Nachmittag führt kaum ein Weg am Eis vorbei und danach wird häufig auch nach etwas Süßem gefragt. Viele Eltern kennen das und sind häufig angestrengt von dem Thema. Hier erfahren Sie, warum Kinder Süßes lieben und bekommen Impulse, wie Sie damit umgehen können.
Ernährungsexpertin Edith Gätjen

Momente beim Essenlernen können herausfordernd sein und auch Fragen aufwerfen – für die Kinder selbst, aber auch für die Erwachsenen. Deshalb haben wir mit Edith Gätjen, Ökotrophologin, systemische Paar- und Familientherapeutin, Präsidentin des UGB, Buchautorin, Trainerin der Sarah Wiener Stiftung und vierfache Mutter über die häufigsten Fragen von Eltern gesprochen, um Ihnen Erklärungen und Ideen für einen Umgang mit typischen Herausforderungen im Essalltag, an die Hand zu geben.
Woher kommt das starke Verlangen nach Süßigkeiten?
Edith Gätjen: Das Verlangen nach Süßem ist das wichtigste biologische Programm, das wir in uns tragen. Damals als wir noch Jäger und Sammler waren, wussten wir, dass süße Lebensmittel nähstoffreich und nicht giftig sind, denn alles was sauer und bitter war, konnte potenziell giftig sein.

Süße Lebensmittel sind häufig auch noch energiereich, wie z.B. Schokolade, das ist konzentrierte Energie. Das Bedürfnis danach ist ebenfalls ein biologisches Programm, weil man früher nicht wusste, wann man das nächste Mal Essen bekam. Deshalb war es gut, Lebensmittel mit konzentrierter Energie zu finden.
Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum Kinder Süßigkeiten so gern essen. Sie haben bereits unglaublich gute Erfahrung mit „süß“ gemacht, weil sie als Säugling monatelang süße Milch in einer engen liebevollen Beziehung bekommen haben. Dadurch sind sie gewachsen.
Das heißt, Sie haben die Erfahrung gemacht, dass das Süße einen hohen Überlebenswert hat. Hinzu kommt noch ein Faktor, und zwar unsere Esskultur: Immer dann, wenn es uns so richtig gut geht, dann gibt es immer noch etwas Süßes obendrauf wie z.B. am Geburtstag oder anderen Festtagen. Diese Faktoren signalisieren Kindern: besser als süß geht es gar nicht.
Kinder lieben Süßes, denn...
…es sendet die Information nähstoffreich und nicht giftig zu sein.
…es wird mit viel Energie verknüpft und diese macht lange satt.
…sie haben positive Erfahrungen mit der süßen Milch von Geburt gemacht.
…positive Ereignisse wie Geburtstage oder Festtage häufig mit Kuchen gefeiert werden.
Sollten Kinder überhaupt Süßigkeiten bekommen?
Edith Gätjen: Ja, Kinder sollten Süßigkeiten bekommen, wenn sie es möchten. Es gibt auch durchaus Kinder, die gar keine Süßigkeiten verlangen. Aber die meisten haben Süßes sehr gern und die stehen ihnen zu. Ca. 10% der Gesamtenergie für den Tag kann durch Süßigkeiten aufgenommen werden. Als Maß dafür kann die Hand des Kindes dienen. Das wäre zum Beispiel im Fall eines zweijährigen Kindes ein kleines Tütchen Gummibärchen. Über diese Menge muss nicht verhandelt werden, also egal, ob sie ihr Gemüse gegessen haben oder nicht.- Denn wichtig ist, dass Kinder den Umgang damit lernen. Wenn man das Ihnen nie anbietet, dann wissen sie später gar nicht, wie man damit umgehen soll. Entscheidend dabei ist, dass Süßes ihnen zusteht, wenn die Grundnahrungsmittel ungesüßt sind wie z.B. Getränke, Müsli, Joghurt, Quark usw.
Umgang mit Süßigkeiten
Süßigkeiten können Teil einer ausgewogenen Kinderernährung sein, wenn sie nicht mehr als 10% der Gesamtenergie ausmachen.
Grundnahrungsmittel wie Müsli, Getränke, Joghurt etc. werden dann ungesüßt angeboten.
Süßigkeiten werden nicht als Belohnung eingesetzt. Sie stehen Kindern zu, auch wenn sie beispielsweise nicht aufgegessen haben.
Mein Kind fragt ständig nach Süßigkeiten. Was kann ich tun?
Edith Gätjen: Wenn wir Kinder haben, die immer wieder nach Süßem fragen, kann es helfen zu überlegen, ob und welche Vereinbarungen im Bereich der Ess-Erziehung es in der Familie gibt. Es hat sich bewährt, wenn die Eltern bestimmen wann, was und wie es etwas zu Essen gibt und die Kinder bestimmen, ob und wieviel sie davon essen. Dabei gilt für alle: ein Nein ist ein Nein. Genauso ist es auch bei Süßigkeiten, wenn z.B. die Vereinbarung getroffen wird, dass es nur am Nachmittag Süßigkeiten gibt, dann gibt es sie auch nur dann.

Es ist auch für alle eine schöne Gelegenheit, gemeinsam diese vereinbarte Zeit zu erleben und, zusammen etwas Süßes zu essen. Wenn das Kind immer und immer wieder nach Süßigkeiten fragt, wäre es auch wichtig auf den emotionalen Hunger zu schauen, inwiefern dieser genährt ist. Denn manchmal sind gerade in der Kita die Mahlzeiten für einige Kinder sehr anstrengend.
Warum Kinder häufig nach Süßigkeiten fragen:
Eventuell haben sie Hunger.
Ihnen ist langweilig.
Oder sie haben das Bedürfnis nach Nähe und Aufmerksamkeit.
Was ist bei der Auswahl der Süßigkeit zu beachten?
Edith Gätjen: Insbesondere bei kleinen Kindern können Erwachsene noch sehr gut steuern, was sie den Kindern geben. Da ist es sinnvoll Süßigkeiten anzubieten, die einen Mehrwert haben und z.B. Vitamine, Mineralstoffe oder gute Fette enthalten wie ein richtig guter Vanillepudding, oder Hafer-Sahnekugeln. Bei älteren Kindern ist das nicht immer machbar. Die möchten dann zum Beispiel eine Süßigkeit, die gerade im Trend ist und das ist auch in Ordnung.
Welche Süßigkeiten bieten sich an:
Süße Lebensmittel mit „Mehrwert“, zum Beispiel weil Obst, Nüsse, Milch oder Vollkorngetreide enthalten ist.